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Beiträge von freiwillig Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung

Kategorie Sozialrecht

Wie werden Sie berechnet ?

Wer in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert ist, zahlt Beiträge, die auf der Grundlage seines Einkommens berechnet werden. Zum Einkommen zählen in erster Linie das Arbeitseinkommen, aber auch Einnahmen aus Vermietung sowie einige andere Einkommensarten. Im Folgenden werden Einnahmen aus Arbeitseinkommen behandelt, welche insbesondere bei Selbständigen maßgeblich sind.

Seit dem 15.12.2018 wurden einige Regelungen vereinfacht und praktikabler gemacht. So wurde ein geringerer Mindestbeitrag festgesetzt. Dieser wird auf der Grundlage von (nur noch) 1/90 der monatlichen Bezugsgröße (2020: 3.185 €, 1/90 = 1.061,67 €) berechnet.

Ferner hat es im Gegensatz zu früher nicht mehr so gravierende Auswirkungen, wenn der Steuerbescheid verspätet eingereicht wird. Bis Ende 2018 führte dies zur Festsetzung des Höchstbeitrages  ohne die Möglichkeit, dies durch die Nachreichung des Einkommensnachweises wieder rückgängig machen zu können. Dadurch häuften nicht wenige Selbständige beträchtliche Beitragsschulden an, die durch Säumniszuschläge noch gewaltig in die Höhe getrieben wurden. Hinzu kam das Ruhen des Krankenversicherungsanspruchs, abgesehen von einer Notversorgung.


Wie ist die Rechtslage heute?

  • Die Beiträge von freiwillig Versicherten werden auf der Grundlage des letzten Einkommenssteuerbescheides festgesetzt.
  • Ab Vorlage des aktuellen Einkommenssteuerbescheides wird der aktuelle Beitrag auf dieser Basis vorläufig festgesetzt, und zwar von dem Monat an, der auf die Ausfertigung des Einkommenssteuerbescheides folgt.1
  • Eine Nachforderung darf nur erfolgen, wenn der ursprüngliche Beitragsbescheid durch einen Verwaltungsakt förmlich aufgehoben wird. Geschieht dies nicht, muß der Versicherte nicht nachzahlen.2
  • Hat das Mitglied trotz Aufforderung durch die Krankenkasse keinen Steuerbescheid eingereicht, kann der Höchstbeitrag festgesetzt werden.3
  • Im Prinzip muß der freiwillig Versicherte Änderungen in den Verhältnissen unverzüglich bzw. nach Aufforderung der Krankenkasse mitteilen, aber wenn man das nicht schafft und den aktuellen Steuerbescheid dann innerhalb von 12 Monaten nach Festsetzung des Höchstbeitrages einreicht, hat dies keine negativen Konsequenzen, der aktuelle Beitrag wird auf der Basis dieses Steuerbescheides trotzdem noch von dem Monat an berechnet, der auf das Ausfertigungsdatum des Einkommenssteuerbescheides folgt.4
  • Legt man den Steuerbescheid erst nach Ablauf von 12 Monaten vor, so wird der geringere Beitrag erst vom folgenden Monat an zugrunde gelegt.56
  • Wird der Einkommenssteuerbescheid nicht innerhalb von 3 Jahren eingereicht (z.B. für 2018: bis 31.12.2021), so werden die Beiträge auf der Basis des Höchstbeitrages (1/30 der mtl. Bezugsgröße) endgültig festgesetzt.7

Neufestsetzungsanspruch für die Vergangenheit

Außerdem gibt es noch eine weitere Verbesserung seit der Gesetzesänderung ab 15.12.2018, und zwar den Neufestsetzungsanspruch gem. § 240 Abs. 1 S. 4 SGB V für Fälle, in denen in der Vergangenheit das Einkommen unterhalb der jeweils geltenden Mindestbemessungsgrundlage lag:

  • Dann ist nämlich für das jeweilige Jahr der Beitrag nur auf der Grundlage des Mindestbeitrags zu berechnen.
  • Hierfür ist kein Antrag erforderlich, es genügt, wenn der Krankenkasse  hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds die Mindestbeitragsbemessungsgrenze nicht überschreiten.
  • Man sollte natürlich selbst dafür Sorge tragen, daß der Krankenkasse der Einkommenssteuerbescheid oder ein anderer Nachweis vorliegt.
  •  Das Gute ist: Hierfür gibt es keine zeitliche Begrenzung, diese Regelung gilt daher für die Vergangenheit unbegrenzt.8
  • Ob unter der Mindestbemessungsgrundlage für die Zeit vor 2018 der Betrag von 1/40 der monatlichen Bezugsgröße zu verstehen ist oder womöglich in Höhe von nur 1/60 der monatlichen Bezugsgröße (welche früher im Hinblick auf die inzwischen abgeschaffte Beitragsreduzierung auf Antrag 9 galt) ist in der Rechtsprechung noch nicht geklärt. Ob die geringere Bemessungsgrenze maßgeblich ist, wird wahrscheinlich in einem Gerichtsverfahren zu klären sein. Es empfiehlt sich anwaltliche Unterstützung.

Beispiel 1: V. erzielte im Jahr 2019 ein monatliches Einkommen in Höhe von 900 €. Der Beitrag ist auf der Grundlage der Mindestbemessungsgrundlage von 1/90 der monatlichen Bemessungsgrundlage (1.038,33 €) zu berechnen.

Beispiel 2: V. erzielte im Jahr 2016 ein monatliches Einkommen in Höhe von 1.400 €. Die Mindestbemessungsgrundlage von 1/40 der monatlichen Bemessungsgrundlage betrug 2016  2.178,75 €, im Falle einer Beitragsreduzierung auf Antrag hingegen nur 1/60 der monatlichen Bezugsgröße, also 1.452,50 € (Achtung: Ein entsprechender Antrag wurde damals nicht rechtzeitig gestellt, sonst würde das Problem heute gar nicht auftauchen). Wird der Beitrag nun auf der Basis von 2.178,75 € oder von 1.452,50 € berechnet ? Meines Erachtens gibt es gute Gründe für den geringeren Betrag (so z.B. die Gesetzesbegründung für § 240 Abs. 1 S. 4 SGB V n.F.), aber wie gesagt, ist das in der Rechtsprechung noch nicht geklärt. Wo  kein Kläger, da kein Richter … Auf jeden Fall sollte man in so einem Falle für die Vergangenheit einen Antrag auf Neufeststellung sowie einen Antrag auf Beitragsreduzierung nach altem Recht stellen.

 

Beitragsschulden

Die Möglichkeit, die früher festgesetzten Beiträge im Rahmen von § 240 Abs. 1 S. 4 SGB V zu reduzieren, sollte man auch im Falle von Beitragsschulden nutzen. Wenn ein Selbständiger bzw. freiwillig Versicherter mit Beitragsschulden zu mir kommt, prüfe ich vor allem, ob es noch eine gesetzliche Möglichkeit gibt, die Beiträge für die Vergangenheit herabzusetzen. Das ist durch die Neufassung von § 240 Abs. 1 S. 4 SGB V einfacher geworden. Es geht natürlich nur, wenn das Einkommen (also der zu versteuernde Gewinn vor Abzug von Sonderausgaben) unterhalb der jeweiligen Mindestbemessungsgrenze lag. Gibt es keine gesetzliche Möglichkeit, mache ich in der Regel eine Modellrechnung auf der Grundlage der Höhe des tatsächlich erzielten Einkommens und versuche mit der Krankenkasse eine Einigung zu erzielen. Voraussetzung dafür ist, daß diese auf Kulanzbasis dazu bereit ist, verpflichtet ist sie hierzu nicht.


Fußnoten

  1. § 240 Abs. 4 a S. 1 SGB V und § 6 a Abs. 2 S. 2 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler, im folgenden: BeitrVfGrsSZ
  2. LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 21.02.2020, L 9 KR 409/18
  3. § 240 Abs. 1 S. 2 SGB V
  4. § 6 Abs. 5 S. 2 BeitrVfGrsSz, § 240 Abs. 1 S. 3 SGB V
  5. § 6 Abs. 5 S. 3 BeitrVfGrsSz
  6. Ob die 12-Monats-Frist mit der Bekanntgabe des Bescheides oder mit dessen Bestandskraft beginnt, ist in der Rechtsprechung noch nicht geklärt.vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 11.04.2019, L 6 KR 80/17
  7. § 240 Abs. 4a S. 4 SGB V, § 6 a Abs. 2 S. 6 BeitrVfGrsSz
  8. SG Berlin, Beschl., v. 24.01.2019, S 56 KR 3411/18 ER
  9. § 240 Abs. 4 S. 3 SGB V a.F.,  § 7 Abs. 4 BeitrVfGrSz a.F.